HIV/AIDS-Programm der Diözese Kumbo
Daniela Lukacic, Gemeindereferentin, zur Zeit im Freiwilligendienst im Family Life Office der Diözese Kumbo, Kamerun, berichtet über ihre Arbeit:
HIV/AIDS begegnet einem in allen Arbeitsbereichen der pastoralen Arbeit. Man kann es gar nicht oft genug erwähnen. HIV/AIDS ist ein Teil des Alltages der Menschen hier. Angefangen damit, dass man in jedem Ort/Dorf ein LACC-Schild sieht. LACC steht für “local AIDS control committee”. Staatliche Einrichtungen, bei denen die Bewohner sich auf HIV testen lassen können. Diese LACCs sollen aber bald geschlossen werden, da dafür kein Geld da ist? Was diesen Staat hier angeht, so ist das noch mal ein eigenes Thema. Es ist traurig zu sehen, wie so rein gar nichts für die Menschen getan wird, was auch die Menschen erreichen würde! Auch unser Office hat neuerdings ein Projekt, wo wir mit dem Staat kooperieren sollen? Hätten wir nur mal abgelehnt! Aber was man nicht alles tut, um ein paar weiteren Waisenkindern zu helfen?
Vor zwei Tage stand Marvis (17 Jahre alt) bei uns im Büro. Marvis habe ich vor ca. einem Monat kennen gelernt. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester hatte ich ein Interview geführt. Marvis wollte nicht einfach “Hallo” sagen. Sie ist eine von vielen, die jeden Tag zu uns kommen und Hilfe benötigen. Sie teilte uns mit, dass ihre Mutter verstorben sei und sie jetzt nicht weiß, wie sie a) die Miete zahlen soll und b) wo sie Essen für ihre zwei Geschwister (15 und 9 Jahre) und sich besorgen soll. Elfrieda (die Mutter) war 38 Jahre alt und hatte AIDS. Vater der Kinder ist unbekannt und Familienangehörige in näherer Umgebung gibt es keine. Die letzten zwei Jahre hat unser Office die Krankenhausrechnungen von Elfrieda übernommen, Elfrieda war nicht in der Lage Geld zu verdienen, also hat das Office auch die Schulgebühren der Kinder übernommen (was Dank der finanziellen Unterstützung von Kindermissionswerk, Bistum Limburg und Privatspendern) möglich ist. Solange es Elfrieda gut ging, war sie ein BTA-Mitglied. BTA steht für “Break through Association” und ist eine Art Selbsthilfegruppe. Vor knapp 3 Jahren ist diese Gruppe entstanden. Menschen, die infiziert sind oder mit infizierten Personen zusammenleben haben sich zusammen getan. HIV/AIDS ist auch hier ein Tabu-Thema. Obwohl es Realität ist, ignorieren es die meisten Menschen. Und dem versucht man entgegen zu wirken. Es gibt die wildesten Theorien, was HIV/AIDS ist. Gar nicht selten setzt man es auch in Verbindung mit Hexerei und bösen Geistern. Und wenn man im Alter von 25 an Tuberkulose oder Grippe stirbt, dann stirbt man daran und nicht weil man mit einem Virus infiziert war.
Aufklärung und Bildung sind zwei ganz entscheidende Schlüsselbegriffe in diesem ganzen Programm. Zur Bekämpfung von HIV/AIDS muss früh angesetzt werden, denn wenn man bereits infiziert ist dann ist es bereits zu spät. Und dies geschieht auf allen Ebenen (Schule, öffentliche Einrichtungen, Berufsgruppen, Gemeinde?). Ziel ist es so viele wie möglich zu erreichen. Lehrer (z.B.) erhalten Kurse, wie sie das Thema in der Schule behandeln können. Jede Gemeinde hat ein Family Life Office, das von Leuten geleitet wird, die ausgebildet wurden (durch Trainings und Seminare). Das meiste geschieht natürlich auf ehrenamtlicher Basis. Kommendes Wochenende steht ein “refresher course” für 200 Berater an. Das sind Leute, die sich die Zeit nehmen, sich dem Thema widmen und als “Anlaufstellen” vor Ort zur Verfügung stehen. Was nicht immer leicht ist, denn ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Wege manchmal zwischen A und B liegen. In erster Linie hat man das Ziel Betroffene nicht alleine zu lassen. Angefangen damit, dass man Leute regelrecht dazu aufruft sich testen zu lassen und wenn sich jemand entscheidet einen Test zu machen, begleitet man die Person und wenn es zum Ergebnis kommt, ist man für die Person da. Und im Fall von einem positiven Ergebnis lässt man die Person nicht im Unklaren. Was heißt es denn HIV+ zu sein und dennoch damit leben zu können? Und wie sage ich es meinem Partner, meinen Verwandten? Im ersten Moment ist die Verzweiflung groß. Und nicht selten kommen die Menschen, aus der Verzweiflung nicht mehr raus.
Aber manche scheinen aber auch Kraft zu gewinnen. Zum Beispiel Julien (sie leitet übrigens die BTA-Treffen). Sie ist Anfang 30, als sie mit ihren Zwillingen schwanger war (im Jahr 2000) stellten die Ärzte fest, dass sie HIV+ ist. Sie konnte sich nicht erklären woher, denn es gab nur ihren Ehemann in ihrem Leben. 2004 verstarb ihr Ehemann, an AIDS. Es ist faszinierend Julien zu erleben, mit welcher Energie sie am Ambo steht und den Menschen erklärt, dass AIDS keine Seuche ist und die infizierten Menschen keine Aussätzigen sind. Sie schafft es hunderte von Menschen in ein verlegendes Schweigen zu versetzen, sie zu berühren und betroffenen Mut zu machen. Sie sagt immer, sie kann den Virus nicht rückgängig machen, aber sie kann versuchen zu verhindern, dass sich weitere aus Fahrlässigkeit anstecken.
Neben den ganzen Aufklärungsprogrammen (für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Ehepaare) gibt es auch die gesundheitliche/medizinische Ebene. “Home-base-Care” ist hierfür das Schlüsselwort. So genannte “Care-givers” werden ausgebildet, die die Kranken besuchen und Tipps (z.B. gesunde Ernährung) geben. Manchmal ist es auch eine Art Pflegedienst, je nach fortgeschrittenem Stadium.
Einen wesentlichen Teil der Arbeit nehmen Waisenkinder (OVCs – Orphans and vulnerable children) und Single Parents (Alleinerziehende und Witwen) ein. Und erschreckender Weise nimmt diese Zahl weiterhin zu. Allein im Bistum Kumbo liegt die Zahl der Waisenkinder weit über 8.000!!! Man spricht inzwischen sogar schon von “Orphan-headed-household”-Generation. Neben den OVCs liegt mein Schwerpunkt bei den Single Parents. In den meisten Fällen ist die Ursache HIV/AIDS. Wie die Arbeit in den Bereichen konkret aussieht, darüber werde ich auch noch berichten. Aber das würde jetzt den Rahmen sprengen.
Ich danke euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt, diese Zeilen zu lesen. Vielleicht bleibt noch ein kleiner Moment in dem ihr im Gebet oder in Gedanken an die vielen Menschen verweilen könnt, die hier in Afrika täglich sterben oder mit dem Tod konfrontiert sind.
Ich bin dankbar, hier in einem Bistum zu sein, das die Herausforderung HIV/AIDS angenommen hat und sich pastoral der Aufgabe stellt! Auch wenn ich jeden Abend aufs Neue mit dieser traurigen Realität umgehen muss? Und manchmal sind es Begegnungen da fehlen einem die Worte und das einzige was kommt sind Tränen. Und danach erfolgt meistens die Faszination/Bewunderung wie stark, trotz allem, der Glaube ist. Der Glaube an einen Gott, der einen nicht fallen lässt und auch nicht verlässt!
Quelle: http://www.weltkirche.bistumlimburg.de/index.php?persongroup=&_1=130002&_0=12&sid=6c0ef4861388649ab793305e33fc2fe8