Trinkwasser in Kübeln

Trinkwasser wird in Kübeln geholt

Wicker. Als Ephriam Bam in Frankfurt aus dem Flugzeug stieg, war es, als sei er das zweite Mal geboren worden. “Ich habe an meinem ersten Tag so viele Erfahrungen gemacht, wie in meinem ganzen Leben zuvor”, sagt der junge Mann rückblickend. Inzwischen hat sich der 22 Jahre alte Kameruner, der ein einjähriges Praktikum in Deutschland absolviert und noch bis Juli in Wicker bei einer Familie wohnt, an die neuen Lebensumstände gewöhnt. Einigermaßen. Denn die Welt in seiner Heimat ist natürlich eine ganz andere als im “Tor zum Rheingau”.
“Din” – mit diesen drei Buchstaben wird hier zu Lande das “Deutsche Institut für Normung” abgekürzt. Das hat Ephriam Bam schmunzelnd vernommen. In Kamerun heißt so sein Heimatort. In dem Dorf, das 400 Kilometer nordwestlich von der Hauptstadt Jaunde entfernt an der Grenze zu Nigeria liegt, leben die Menschen in 2000 Metern Höhe ausschließlich vom Ackerbau. Es gibt keinen Strom, keine Wasserleitung.

“Wir müssen das Trinkwasser vom Fluss holen. Der ist 15 Kilometer entfernt. Wir tragen das Wasser dann in Kübeln auf dem Kopf zurück zum Haus”, erzählt Ephriam. Mais, Bohnen, Bananen, Kaffee und Kartoffeln bauen die Menschen in Din bei subtropischem Klima an. Jedoch haben sie kaum Geld, weil es durch die nicht vorhandene Infrastruktur – es gibt beispielsweise keine richtigen Straßen – nur schwer möglich ist, landwirtschaftliche Erzeugnisse zu verkaufen. Von Deutschland kannte Ephriam bis vergangenes Jahr nur die Fußball-Nationalmannschaft. Als es bei der letzten Weltmeisterschaft das Duell gegen Kamerun gab, lief der junge Mann mit einer ganzen Horde Jugendlicher drei Kilometer weit, um am nächsten Fernseher das Spiel verfolgen zu können. Umso interessierter war er am Angebot seines Bistums Kumbo, das seit Jahren einen Jugendaustausch mit dem Partnerbistum Limburg durchführt. Und so landete er in Deutschland, in der Familie von Helma Schlesinger, der Jugendbeauftragten des Pfarrgemeinderates der katholischen Gemeinde in Wicker. Zur Zeit macht Ephriam Bam ein Praktikum im Kindergarten und ist bei den Gruppenstunden der Katholischen Jugend dabei.
Ephriam kann es immer noch kaum fassen: Mit der Kamerunerin Makelia, die auch durch ein Austauschprogramm nach Deutschland kam und in Frankfurt wohnt, feierte der fröhliche junge Mann Fastnacht. Ein Fest, von dem er noch nie zuvor etwas gehört hatte. Als Cowboy war er beim Maskenball in der Goldbornhalle verkleidet.
Beinahe alles sei eben anders in Deutschland, bis auf den Glauben. In der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun sind fast alle Einwohner katholisch, gehen regelmäßig in die Kirche. Einmal abgesehen von Tänzen und stimmungsvoller Musik “sind die Gottesdienste so wie bei uns”.
Ephriam erzählt das in sehr gutem Deutsch. Der Afrikaner ist ein Sprachtalent, hat mit dem Abitur einen in seinem Land seltenen Schulabschluss. Doch trotz seines hohen Bildungsstandes kommt für ihn nur eine Zukunft in Din in Frage. Bei seiner Familie mit acht Geschwistern und einem Vater, der zwei Frauen hat, was in Kamerun normal ist. Seine Gefühle würden für die Zukunftsplanungen den Ausschlag geben, meint Ephriam.
Außer der eigenen Weiterbildung und Geschenken für die Verwandtschaft, wird die Reise ins ferne Deutschland dem Heimatdorf von Ephriam Bam helfen. Die Pfarrgemeinde St. Katharina hat sich entschlossen, für den Bau einer Wasserleitung Geld zu sammeln. Zwischen 10 000 und 12 000 Euro werden benötigt, erst rund 1000 Euro konnten die Afrikaner selbst aufbringen. Über das Projekt und von seinem Leben in der Heimat berichtet Ephriam Bam heute

Quelle: Höchster Kreisblatt vom 15.03.2003, S. 21